Literaturkritik.de: Zum tiergestützten Blick auf Kultur und Geschichte – Zwei Sammelbände unterstreichen die Gewalt in der Mensch-Tier-Beziehung

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Das von Roland Borgards herausgegebene Kulturwissenschaftliche Handbuch zum Stichwort Tiere bietet einen vorzüglichen Überblick über wichtige Themen, Fragen und Disziplinen des „tiertheoretischen Blick[s] auf die Kultur“, der im angelsächsischen Raum animal turn genannt wird, human-animal studies, critical animal studies, oder cultural animal studies. Borgards betont im Vorwort zu Recht, dass dieser Forschungsansatz Tiere nicht lediglich als einen Forschungsgegenstand neben anderen versteht, sondern dass die Reflexion der kulturell informierten Auffassungen von und Interaktionen mit Tieren den Rang einer Methode einnimmt: einer „tiergestützten Methode“. Diese erlangt mit der Analyse der Auffassung von Tieren als „nützlich“ bzw. „schädlich“, „unterlegen“ bzw. „überlegen“ nicht nur eine Kritik konkreter Praktiken, sondern zugleich auch eine Kritik begrifflicher Unterscheidungen wie etwa zwischen Natur und Kultur oder Subjekt und Objekt, die diesen Praktiken zugrunde liegen und damit eine Basis jenes Handelns und Denkens bilden, denen die gegenwärtige ökologische Krise aufruht. Eine große Stärke des Bandes liegt darin, in durchgehend gut informierten Einführungen aus der Hand von Spezialisten sowohl verschiedene Problemfelder (wie Gesellschaft, Umwelt, Medien), philosophische Ansätze (wie Geist und Ethik), Künste und Denkformen (wie Mythologie, Psychologie) zu präsentieren, als auch die Geschichte von Institutionen und Praktiken wie Jagd, Domestizierung, Tierversuch und Zoos. Solche Institutionen und Praktiken erscheinen in der orientierenden Literatur häufig lediglich als Beispiel; die gesonderte Aufmerksamkeit, die dieser Band ihnen zollt, baut leichtfertige Selbstverständlichkeiten ab, indem er etwa auf die komplexen Traditionen und Kontexte hinweist, in denen die Unterscheidung von Nutz- und Haustieren steht. … Eine Rezension von Juliane Prade-Weiss Den Text der Rezension finden Sie hier. Es sprach Marlisa Thumm

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